Was steckt hinter dem ENOVIA Hype?
Geschrieben am 9. April 2014 von Monica Schnitger/Schnitger Gesellschaft
(Original: http://schnitgercorp.com/2014/04/09/behind-the-hype-with-enovia/
Übersetzt von: SCHWINDT DIGITAL GmbH)
Es ist Zeit für ein Update. Sie haben viele Fragen zu Dassault Systèmes (DS) 3DEXPERIENCE und wie diese Erfahrungen in die DS-Produkte eingehen, welche Sie verwenden. Ich will Ihnen aus der Perspektive von DS antworten mit Blick auf das Ganze, auf das, was ich bei Veranstaltungen wie dem 3DEXPERIENCE-Forum lernte; es handelt sich dabei um ein großes Bild, welches gerade jetzt anfängt, in den Fokus gerückt zu werden.
Vor ein paar Wochen hatte ich Gelegenheit, das ENOVIA-Team zu treffen und habe Einblick erhalten in die Entwicklung dieser Kerntechnologie und glauben Sie mir, es tut sich eine Menge. Der Hype von DS um 3DEXPERIENCE macht es schwer zu sehen, was in den Brands passiert; so war dies eine große Chance für mich, mehr zu erfahren, was dahinter steckt. Der Besuchstag im DS-Campus in Waltham, MA war vollgepackt mit Vorträgen, Demos und Q & A. Ich kann nicht mehr alles reproduzieren (Sie würden es eh nicht lesen); also habe ich Antwort gegeben auf die 9 * wichtigsten und interessantesten Fragen, die Sie mir mitgegeben haben.
1. Erklären Sie "3DEXPERIENCE" doch bitte nochmal ...
CEO Bernard Charles erzählte uns auf dem 3DEXPERIENCE-Forum im November: "dass die Plattform nicht V6 ist und auch nicht ENOVIA; ENOVIA ist die Architektur. 3DEXPERIENCE ist die Plattform. Alles in V6 läuft auf 3DEXPERIENCE und Sie entscheiden, welche App Sie ausführen möchten."
Es braucht viel Arbeit, um diese Aussage zu verstehen; das ENOVIA-Team erklärt es so: 3DEXPERIENCE sind Pakete von branchenspezifischen Anwendungen aus den verschiedenen DS Brands. Jede "Erfahrung" ist Best Practice innerhalb der Branchen und Prozesse, mit zusätzlichen Inhalten (z.B. Spezifikationen für Rohrleitungen), welche bei Bedarf erforderlich sind. Die CATIA-Workbenches, die Sie heute verwenden, sind in Apps zusammengefasst, sonst ändert sich nichts, einzig vielleicht, wie Sie die Workbenches beim Kauf zusammenstellen. Was sich ändert ist, wie von Benutzern und Apps auf Daten zugegriffen wird; und im Zusammenhang von 3DEXPERIENCE fließen die Daten bei Änderungen reibungslos zwischen den Anwendungen und ein Kern hält alles zusammen: ENOVIA.
2. Wie macht dies ENOVIA?
In den letzten Versionen entwickelte sich die ENOVIA-Architektur weg von Dateistrukturen hin zu Objekten, die laut ENOVIA-Team viel flexibler sind. In V6 ist ENOVIA komplett objektorientiert, so dass die Benutzer auf Teile einer Baugruppe zugreifen können, ohne dass die gesamte Dateistruktur der Baugruppe für anderen Zugriff gesperrt wird. ENOVIA ist somit auch besser konfigurierbar, weil auch einzelne Objekte nun durchsucht, gruppiert und in Anwendungen entsprechend verwendet werden können. Dies geht nicht in einer Dateistruktur.
3. Aber ist ENOVIA nicht schwer zu bedienen? Bremst es mich nicht deutlich aus?
Das ENOVIA, das ich gerade gesehen habe, ist nicht das alte ENOVIA. Die wichtigste Änderung ist das User Interface, so wird der V6 Kompass zum wichtigsten Navigations-Tool und ENOVIA ab dem Release 2014x ist intuitiv und soll uns nicht bei Entwicklungsaufgaben stören, sondern diese erleichtern. Sie greifen auf ENOVIA beispielsweise mit Hilfe Ihrer CATIA-App zu und erhalten nicht mehr andersherum erst Zugriff auf Ihre Designdaten nach Anmeldung an ein PDM-System. Sie können durch Suchergebnisse zoomen oder finden Design-Alternativen auf einem Drehteller - DS hat hart gearbeitet, damit Daten-Management uns nicht behindert, sondern unterstützt und beschleunigt. DS sagt, es mache nun Spaß, seine Produkte zu verwenden; ich bin mir nicht sicher, ob ich so weit gehen würde, aber es gibt auf jeden Fall eine große Verbesserung gegenüber früheren Versionen.
4. Wie passt das nun alles zusammen?
Benutzer arbeiten innerhalb eines Pakets von Apps, das CATIA, DELMIA, SIMULIA oder was auch immer die Rolle oder Aufgabe erfordert, enthält. Innerhalb ENOVIA bedeutet dabei, dass die Datenübertragung von App zu App so erfolgt, wie diese gebraucht wird. Denken Sie darüber nach: seit man mit "ENOVIA Requirement Central" Kundenanforderungen erfassen kann, können wir den ganzen Weg zurückverfolgen von den Anforderungen, über alle Design-Schleifen und dazu gehörige Simulationen bis zur Fertigung und den Service-Aktivitäten, innerhalb des gesamten Projekts - ohne Daten zu konvertieren oder zu übersetzen. Es ist nicht ganz so einfach, wie beschrieben, aber es kann für Unternehmen das Rückgrat sein, um alles miteinander zu verbinden.
5. Was hat es mit dem Kompass auf sich?
Wenn Sie Ihre Arbeitssitzung beginnen, sehen Sie den IFWE-Kompass und die Anwendungen, auf die Sie Zugriff haben. Der Kompass öffnet, von oben und gegen den Uhrzeigersinn Apps für die folgenden Anwendungen: soziale Netze und Zusammenarbeit, 3D-Modellierung, Simulation und Informationsabfragen. Die zugehörigen Apps erscheinen in einem Fenster auf der linken Seite, und Sie wechseln nun zwischen den Anwendungen, welche Sie für Ihre Arbeit benötigen. Diese Umgebung verlassen Sie nicht mehr, egal ob Sie zum Beispiel in CATIA oder mit Abaqus Dynamischer Simulation arbeiten.
Worüber DS nicht so oft spricht, sind die Möglichkeiten zur Kategorisierung (Tagging) und Indexierung, als Basis der Suchfunktionen - genannt 6W - für Wer, Was, Wo, Warum, Wann und Wie für alle strukturierten und unstrukturierten Informationen. Wenn Sie daran interessiert sind, schauen Sie sich dieses Video an. Die wenigen Sekunden zum Tagging und zur Indexierung in diesem etwa 3,20 min. langen Video (What is the 3DEXPERIENCE platform?) sind einen Blick wert.
6. Was passiert nun mit SmarTeam?
Es ist immer noch sehr lebendig. Was in den aktuellen DS-Nachrichten komplett untergeht, ist dass die Brands leben und weiterentwickelt werden. Andy Kalambi, CEO von ENOVIA sagte, dass ENOVIA und seine Sub-Marken heute 1,3 Millionen Nutzer haben, bei 16.000 Kunden. Davon sind 19% SmarTeam-Kunden und Herr Kalambi sagte, diese Zahl wächst weiter.
7. Ich bin in der Automobilindustrie: Was kann ich vom DS-Eintritt in Märkte wie Finanzdienstleistungen erwarten? Zieht es nicht Ressourcen von den Projekten ab, auf die ich dringend warte?
Wir sind alle ich-bezogen, wenn wir ehrlich sind. Bei genauer Betrachtung können wir aber sehen, dass wir von der Forschung und Entwicklung in benachbarten Branchen (Automotive, Luft- und Raumfahrt; Schiffbau und Anlagenbau; etc.) profitieren, aber DS geht in Bereiche, aus denen scheinbar nicht mehr die Bestandskunden kommen. Aber lassen Sie uns zwei Dinge berücksichtigen: Erstens: viele dieser neuen Industrien kommen zu DS durch Akquisitionen, wie Bergbau und Bodenschätze über die Akquisition von Gemcom. Diese Teams haben vor ihrer Übernahme nie Automobilprobleme gelöst und betreffen uns damit nicht. Zweitens: DS verknüpft alles miteinander, was auch zu Mehrwert für langjährige Kunden führt. Big Data, benutzerfreundliche Präsentation, das 6W-Tagging - all diese Innovationen kamen aus Akquisitionen, die auf den ersten Blick wenig mit DS Kerngeschäft zu tun haben.
Bei meinem Besuch habe ich viel gelernt über Lösungen z.B. aus der Verkaufsförderung oder dem Finanzbereich und ich verstehe nun, was DS erwartet und warum jemand aus der Automobilindustrie auch an der Weiterentwicklung dieser Lösungen interessiert sein könnte. Nehmen wir die Verkaufsförderung: Kunden sind wählerisch. Sie wollen ihr Einkaufserlebnis in einer ganz bestimmten zu ihnen passenden Art und Weise: Sie würden weder bei Walmart etwas wirklich Teueres kaufen noch würden Sie in einen High-End-Shop wie Nordstrom wegen einer $ 2 Flasche Shampoo gehen. Achten wir mal darauf, wie ein Produkt im Regal platziert ist, abgestimmt auf seinen visuellen Reiz, und für das Geschäft optimiert und wie der Verpackungsdesigner Einfluss nimmt, um sein Ziel zu erreichen, den Käufer zum Kauf zu bewegen. Dies kann auch im Automobilbereich Anwendung finden: ein Chevy Showroom (keine Beleidigung, GM) ist nicht der schickste. Kann man nicht das Kauferlebnis eines Chevy dahin bringen, dass es vergleichbar wie bei BMW ist?
Im Bereich der Finanzdienstleistungen, so scheint es, lernt man mehr als man zurückgibt. Aber denken wir über die Probleme nach, die es hier zu lösen gibt: riesige Mengen von Daten, Regulierungen, eine junge und aufgewühlte Belegschaft. Wer weiß, was aus den Lösungen für diesen Markt wird und welche Impulse dies für die Kernmärkte ergibt?
8. Ich habe 3DEXPERIENCE noch nicht gekauft. Was haben Sie für mich?
Herr Kalambi betont, dass DS fokussiert ist, seinen Kunden zu helfen, Null Fehler zu produzieren mit "the power of Zero": Null Prototypen, keine Ausfälle, keine Verzögerungen, keine Stücklisten Fehler, keine Ausnahmesituationen, Null Nacharbeit, keine Wartezeiten. Er sieht ENOVIA als den Schlüssel, damit Kunden Ihre Umsatzzahlen erreichen sowie dabei unterm Strich:
- der Wert des Produkts für den Endkunden gesteigert wird durch einen Erlebnisfaktor (was zu höheren Preisen und mehr Umsatz führen könnte)
- die Beschleunigung der Innovationsrate, so dass mehr Produkte gleichzeitig auf dem Markt sind, was zu höheren Verkaufszahlen führt und
- Erhöhung der Effizienz im ganzen Unternehmen, von der Wiederverwendung der Konstruktionen und der Innovationen über die Verbesserung der Produktion bis hin zur Service-Effizienz.
Er sagt, dass wir dies schaffen, wenn wir unser Denken verlagern von der Produkt-Modellierung zu einem größeren Bild ("Schaffung von Erfahrungen/Experiences" im DS-Wortschatz) durch die Darstellung von Multi-Physik, Verhaltensmodellierung, Big Data, Soziale Zusammenarbeit und Dashboards in einer einzigen Umgebung; eingefügt in die datengesteuerte Architektur von ENOVIA. Herr Kalambi glaubt an eine Online-, Global-, Single-Instance-Innovation-Plattform. Nebenbei bemerkt ist 3DEXPERIENCE heute bereits eine wirklich erstzunehmende Lösung, um reale gegenwärtige Probleme zu lösen.
9. Schließlich die große, zentrale Frage: Was haben die Nutzer von all dem? Hat DS uns mit seinen Produkten in einer Weise verwirrt, die gut ist für DS oder für die Anwender? Oder bleibt möglicherweise sogar alles gleich?
Nach meinem Tag bei DS dachte ich viel weniger zynisch über 3DEXPERIENCE, sowohl im Konzept wie auch in der Art, wie es umgesetzt wurde. Ja, DS wirft immer noch mit seiner Großspurigkeit um sich und ich wünschte, sie würden damit aufhören, und das Wort EXPERIENCE hat auch bei DS mehrere Bedeutungen und es macht es manchmal schwer zu sagen, worüber genau sie reden. Aber. Aber. Aber.
DS versucht, einen Kundenstamm zu bewegen, der sich selbst als CATIA Anwender, Abaqus User und so weiter sieht. Auch die Manager auf Anwenderseite können nicht erkennen, dass es andere Produkte im DS-Portfolio gibt, die viele ihrer Probleme lösen könnten. DS versuchte eine Weile, die einzelnen Brands zu fördern, aber sie realisierten, dass es so viel mehr bringen könnte, wenn man vorkonfigurierte Lösungsbausteine für übliche Anwenderrollen zur Verfügung stellt, anstatt zu warten, bis es die Kunden auf eigene Faust selbst tun. Die Pakete, wenn wir mal nicht von EXPERIENCEs sprechen wollen, bringen Apps und andere Inhalte, die notwendig sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen: eine sichere Anlage, ein nichtausschlagbares Angebot und so weiter.
Diese Idee betrifft die Unternehmensebene, nicht die Ebene der Benutzer. DS redet mit CEOs, warum sie in der Nacht nicht schlafen können und ergänzt seine Produkte, um deren Wünsche zu erfüllen. Aber die Ergebnisse sind in einer frühen Phase; es ist nicht leicht, sich über Nacht von einem monolithischen CATIA zu fein abgestuften Apps-mit-best-practice-Inhalt zu entwickeln. Dies ist Teil des Problems, denke ich: in gewisser Weise würde es mehr Sinn machen, wenn DS wartet, bis mehr Inhalt vorhanden ist. Aber Warten löst die momentanen Probleme nicht, und darum tut DS das einzig Richtige, sie arbeiten und hoffen, dass alles zusammen kommt.
Während DS mit Nachrichten und Paketen verwirrt, geht die ENOVIA-Organisation an die Entwicklung ihrer PLM-Funktionen und der Benutzerinteraktion, verkauft Produkte und unterstützt die Kunden. Was ich im letzten Monat sah, zeigt dass es ein langer Weg sein wird - aber er ist schon fortgeschrittener als Sie vielleicht denken.
Bild mit freundlicher Genehmigung von Dassault Systèmes.
* Ich hatte 10 Fragen, aber der Artikel ist schon sooo lang. Fragen Sie mich eines Tages, was ich gekürzt habe!